Mit der Quartierssanierung vor Ort
von Diana Wetzestein
29. Juli 2021_Eschwege. „Alles muss raus“, dieser Slogan ist Vinh Nguyen vertraut. Er ist Einzelhändler und verkauft in seinem Ladengeschäft in der Marktstraße 15 alles was die Skater-Community braucht. Das „halbe“ Fachwerkhaus, die Nr. 15, habe er vor sieben Jahren gekauft, vor einem Jahr die zweite Hälfte, Nr. 17, erworben. Nach 20 Jahren Leerstand und massivem Verfall im rückwärtigen Bereich, sollen im Fachwerkhaus wieder Wohnungen und Ladenfläche energetisch saniert und vermietet werden. Vorher stellt sich dem 43-Jährigen aber die entscheidende Frage: Kann das historische Fachwerkhaus überhaupt noch gerettet werden?
Antworten darauf erhofft er sich vom Sanierungsmanagement der Quartierssanierung Werra-Meißner und der Denkmalpflege. Es ist Ende Juli, als Rebekka Schindehütte vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen mit Johanna Anders, Denkmalpflegerin des Werra-Meißner-Kreises und Werner Jäschke, Sanierungsmanager der Quartierssanierung die Marktstraße 17 betreten.
Allen Beteiligten ist bewusst: Der Verlust für die Eschweger Altstadt wäre groß, könnte dieses Fachwerkhaus nicht erhalten werden. Denn dann wäre die Geschichte des Doppelwohnhauses, das wahrscheinlich aus dem frühen 18. Jahrhundert stammt und Anfang des 19. Jahrhunderts „firstgeteilt“ worden war, nach fast 300 Jahren vorbei. Es ist „Kulturdenkmal aufgrund geschichtlicher und städtebaulicher Bedeutung“, so steht es in der Denkmaltopografie Werra-Meißner-Kreis II – Stadt Eschwege.
Vor allem Nguyen möchte das verhindern. Sieben Jahre habe er versucht, das Haus zu erwerben und zusehen müssen, wie es immer mehr verfiel. „Die Fassade will ich jetzt wieder als Einheit herstellen, einheitliche neue Holzsprossenfenster einbauen und die vorhandenen im rückwärtigen Bereich einsetzen“, erklärt Nguyen, bevor alle ins Gebäude gehen.
Im verwaisten Ladengeschäft, das Nguyens noch bis zum Jahr 2000 angemietet hatte, sind seine Graffitis noch zu sehen. Im Treppenhaus zeigt sich dann die eigentliche Baustelle: offene Lehmgefache, Löcher in Decken und Wänden, abgeblätterter Lack und ein Raum, der gar nicht begehbar ist. Nguyen hat ihn abgesperrt.
„Wir sehen uns jetzt erst einmal an, welche Bauelemente, also alte Putze, Türen, Sockelleisten oder Lamperien für das Gebäude und die Baugeschichte wichtig sind und erhalten werden müssten. Klären aber auch, wo Herr Nguyen freie Gestaltungsmöglichkeiten hat, was ergänzt oder erneuert werden kann“, so Rebekka Schindehütte beim Gang durch zwei Etagen, die wieder bewohnbar gemacht werden sollen. Als erstaunlich gut, bewertet Werner Jäschke dies Bausubstanz im vorderen Bereich. „Hier würde ich die Tapeten erst einmal nur entfernen und die Putzoberflächen freilegen. Vor allem sollte auf Feuchtigkeit und Schimmel achten, dem muss nachgegangen werden“, rät Werner Jäschke. Der Zimmerer- und Dachdeckermeister sieht im Dachgeschoss die Schwachstelle, Wasser konnte über Jahre eindringen und hat die Substanz bis zum Erdgeschoss geschädigt. Nach diesem Termin wird Jäschke dem Gebäudeeigentümer einen Modernisierungsfahrplan ausstellen. Die darin beschriebenen Sanierungsmaßnahmen und KfW-Fördermittel bieten dem Bauherren einen wichtige Unterlage für Gespräche mit Architekten, Energieberatern und Handwerkern. „Es gibt keine Fördermittel von der Quartierssanierung. Viele verwechseln unseren Service mit einem Städtebauprogramm wie „Bauen in Bestand“, das ist es aber nicht. Wir bieten kostenlose Beratung, die KfW zahlt später die Fördermittel aus“, so Jäschke.
„Aber für die Architektenleistungen, die notwendig sind, um das Gesamtkonzept zu erstellen, gibt es von der Denkmalpflege eine Bescheinigung, die beim Finanzamt einzureichen ist, um steuerlich begünstigt zu werden“, ergänzt Schindehütte. „Wenn das Gesamtkonzept steht, kann der denkmalschutzrechtliche Antrag für die Maßnahmen gestellt werden, die bis dahin klar sind“, sagt Johanna Anders. Und dass der kostenlose Service der Denkmalbehörde auch während der Bauphase weiterhin angeboten werde. Rebekka Schindehütte und Johanna Anders bewerten den Termin positiv. „Wir haben unterschiedliche fachliche Kompetenzen, das Know-how von Herrn Jäschke ist eine wichtige Ergänzung für uns. Wir ermitteln vor Ort gemeinsam, welche Materialien für die energetische Sanierung in Frage kommen, die dann auch noch denkmalgerecht sind“, so Schindehütte.
Für Vinh Nguyen bleibt ein großer Berg an Arbeit. „Ich bin froh, dass ich nicht alles freilegen oder rausreißen muss, dadurch erspare ich mir einiges an Arbeit und habe auch noch wertvolle Bausubstanz erhalten. Das war mir vorher nicht klar“, so Nguyen, der nach dem Gang durch die Baustelle weiß, dass er als nächstes den Architekten braucht, um die Schäden zu ermitteln. Und er weiß jetzt auch: Alles muss auf gar keinen Fall raus!
Vor Ort mit der Quartierssanierung
von Diana Wetzestein
29. Juli 2021_Eschwege. „Alles muss raus“, dieser Slogan ist Vinh Nguyen vertraut. Er ist Einzelhändler und verkauft in seinem Ladengeschäft in der Marktstraße 15 alles was die Skater-Community braucht. Das „halbe“ Fachwerkhaus, die Nr. 15, habe er vor sieben Jahren gekauft, vor einem Jahr die zweite Hälfte, Nr. 17, erworben. Nach 20 Jahren Leerstand und massivem Verfall im rückwärtigen Bereich, sollen im Fachwerkhaus wieder Wohnungen und Ladenfläche energetisch saniert und vermietet werden. Vorher stellt sich dem 43-Jährigen aber die entscheidende Frage: Kann das historische Fachwerkhaus überhaupt noch gerettet werden?
Antworten darauf erhofft er sich vom Sanierungsmanagement der Quartierssanierung Werra-Meißner und der Denkmalpflege. Es ist Ende Juli, als Rebekka Schindehütte vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen mit Johanna Anders, Denkmalpflegerin des Werra-Meißner-Kreises und Werner Jäschke, Sanierungsmanager der Quartierssanierung die Marktstraße 17 betreten. Allen Beteiligten ist bewusst: Der Verlust für die Eschweger Altstadt wäre groß, könnte dieses Fachwerkhaus nicht erhalten werden. Denn dann wäre die Geschichte des Doppelwohnhauses, das wahrscheinlich aus dem frühen 18. Jahrhundert stammt und Anfang des 19. Jahrhunderts „firstgeteilt“ worden war, nach fast 300 Jahren vorbei. Es ist „Kulturdenkmal aufgrund geschichtlicher und städtebaulicher Bedeutung“, so steht es in der Denkmaltopografie Werra-Meißner-Kreis II – Stadt Eschwege.
Vor allem Nguyen möchte das verhindern. Sieben Jahre habe er versucht, das Haus zu erwerben und zusehen müssen, wie es immer mehr verfiel. „Die Fassade will ich jetzt wieder als Einheit herstellen, einheitliche neue Holzsprossenfenster einbauen und die vorhandenen im rückwärtigen Bereich einsetzen“, erklärt Nguyen, bevor alle ins Gebäude gehen. Im verwaisten Ladengeschäft, das Nguyens noch bis zum Jahr 2000 angemietet hatte, sind seine Graffitis noch zu sehen. Im Treppenhaus zeigt sich dann die eigentliche Baustelle: offene Lehmgefache, Löcher in Decken und Wänden, abgeblätterter Lack und ein Raum, der gar nicht begehbar ist. Nguyen hat ihn abgesperrt.
„Wir sehen uns jetzt erst einmal an, welche Bauelemente, also alte Putze, Türen, Sockelleisten oder Lamperien für das Gebäude und die Baugeschichte wichtig sind und erhalten werden müssten. Klären aber auch, wo Herr Nguyen freie Gestaltungsmöglichkeiten hat, was ergänzt oder erneuert werden kann“, so Rebekka Schindehütte beim Gang durch zwei Etagen, die wieder bewohnbar gemacht werden sollen.
Als erstaunlich gut, bewertet Werner Jäschke dies Bausubstanz im vorderen Bereich. „Hier würde ich die Tapeten erst einmal nur entfernen und die Putzoberflächen freilegen. Vor allem sollte auf Feuchtigkeit und Schimmel achten, dem muss nachgegangen werden“, rät Werner Jäschke. Der Zimmerer- und Dachdeckermeister sieht im Dachgeschoss die Schwachstelle, Wasser konnte über Jahre eindringen und hat die Substanz bis zum Erdgeschoss geschädigt. Nach diesem Termin wird Jäschke dem Gebäudeeigentümer einen Modernisierungsfahrplan ausstellen. Die darin beschriebenen Sanierungsmaßnahmen und KfW-Fördermittel bieten dem Bauherren einen wichtige Unterlage für Gespräche mit Architekten, Energieberatern und Handwerkern. "Es gibt aber keine direkten Fördermittel von der Quartierssanierung. Viele verwechseln unseren Service mit einem Städtebauprogramm wie „Bauen in Bestand“, das ist es aber nicht. Wir bieten kostenlose Beratung, die KfW zahlt später die Fördermittel aus“, so Jäschke.
„Aber für die Architektenleistungen, die notwendig sind, um das Gesamtkonzept zu erstellen, gibt es von der Denkmalpflege eine Bescheinigung, die beim Finanzamt einzureichen ist, um steuerlich begünstigt zu werden“, ergänzt Schindehütte. „Wenn das Gesamtkonzept steht, kann der denkmalschutzrechtliche Antrag für die Maßnahmen gestellt werden, die bis dahin klar sind“, sagt Johanna Anders. Und dass der kostenlose Service der Denkmalbehörde auch während der Bauphase weiterhin angeboten werde. Rebekka Schindehütte und Johanna Anders bewerten den Termin positiv. „Wir haben unterschiedliche fachliche Kompetenzen, das Know-how von Herrn Jäschke ist eine wichtige Ergänzung für uns. Wir ermitteln vor Ort gemeinsam, welche Materialien für die energetische Sanierung in Frage kommen, die dann auch noch denkmalgerecht sind“, so Schindehütte.
Für Vinh Nguyen bleibt ein großer Berg an Arbeit. „Ich bin froh, dass ich nicht alles freilegen oder rausreißen muss, dadurch erspare ich mir einiges an Arbeit und habe auch noch wertvolle Bausubstanz erhalten. Das war mir vorher nicht klar“, so Nguyen, der nach dem Gang durch die Baustelle weiß, dass er als nächstes den Architekten braucht, um die Schäden zu ermitteln. Und er weiß jetzt auch: Alles muss auf gar keinen Fall raus!