Ein Interview mit Dr. Rainer Wallmann
von Diana Wetzestein
27. September 2022_Werra-Meißner-Kreis. Dr. Rainer Wallmann, ehemaliger Erster Kreisbeigeordneter des Werra-Meißner-Kreises und Projektleiter der Quartierssanierung im WMK, verlässt zum 30. September auf eigenen Wunsch den Kreis und stellt sich einer neuen beruflichen Herausforderung. Am Ende seiner Dienstzeit für den Kreis ist auch das Projekt der Quartierssanierung im Werra-Meißner-Kreis in der 2. Projektphase abgeschlossen. Anders als beim Projektleiter, geht es mit der kostenlosen Beratung in Sachen Energetische Quartierssanierung aber in die Verlängerung.
Herr Dr. Wallmann, wie wichtig ist das Projekt der Quartierssanierung für die Bürger:innen des Werra-Meißner-Kreises?
Dr. Wallmann: Sehr wichtig, weil dadurch ein sehr einfacher, kostengünstiger und unabhängiger Einstieg in die energetische Sanierung und auch in die altersgerechte Umgestaltung eines Gebäudes möglich ist. Wenn die Menschen die Möglichkeit haben, lange in ihrem Haus zu leben, sind sie eher bereit, auch im fortgeschrittenen Alter noch zu investieren. Am Ende kommt es ihnen ja zugute, weil das die Lebensqualität erhöht.
Was ist das Besondere an dem Projekt?
Dr. Wallmann: Da gibt es einige Punkte, die ich - neben den zahlreichen innovativen Ansätzen - besonders betonen möchte:
- 20 Prozent der Beratungsleistungen kann das Team des Sanierungsmanagements auch außerhalb der Quartiere erbringen. Damit ist eine kreisweite Beratung möglich und das ist bundesweit einzigartig!
- Die interkommunale Zusammenarbeit hat einen „pulsierendem Charakter“, das bedeutet, weitere Quartiere können dem Projekt beitreten – wir haben derzeit drei, die das tun werden – andererseits ist es möglich, das Projekt wieder zu verlassen.
- Vor allem auch die interdisziplinäre Beratung, also die Beratung durch eine Gruppe von Fachleuten, in der eben auch die Barrierefreiheit gleich mitgedacht und beraten wird, halte ich für den Werra-Meißner-Kreis von größter Bedeutung.
Das Projekt Quartierssanierung wird auch von der Begleitforschung des Förderprogramms intensiv beobachtet. Wem kann das zugutekommen?
Dr. Wallmann: Unser Modellvorhaben hat richtungsweisenden Charakter für ländliche Regionen. Gern übernehmen wir diesen Vorbildcharakter, damit auch andere Kommunen von unseren Erfahrungen profitieren können.
Energiethemen, Umweltschutz und Klimaschutz werden im Werra-Meißner-Kreis mit ihrer Person in Verbindung gebracht. Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz? Welche zahlen sich jetzt für den Kreis, bzw. die Bürger:innen des Kreises aus?
Dr. Wallmann: „Wir haben zum Beispiel mit dem Modellvorhaben Holzige Biomasse eine Möglichkeit geschaffen, kostenfrei holzige Gartenabfälle zu entsorgen. Sie werden kreisweit bei dezentralen Annahmestellen im Herbst und Frühjahr angenommen und zu klimafreundlichem Brennstoff und Kompost umgewandelt.
Dann gibt es hier die umfangreichen Photovoltaik-Aktivitäten auf kreiseigenen Gebäuden, beispielsweise auf dem neuen Verwaltungszentrum in Eschwege.
Seit 2013 werden getrennt gesammelte Bioabfälle des Kreises nicht mehr „nur“ zur Kompostierung gegeben, sondern gelangen in interkommunaler Kooperation mit dem Landkreis Kassel in eine Vergärungsanlage, wo Biogas erzeugt und daraus Strom und Wärme gewonnen werden. Die verbleibenden Gärreste werden anschließend kompostiert.
Dann ist das Projekt Energetische Quartierssanierung im Werra-Meißner-Kreis auf fruchtbaren Boden gefallen?
Dr. Wallmann: Ja! Absolut. Wir wollen die Bürger:innen dabei unterstützen, das gesamte Gebäude zu betrachten und umfangreiche energetische Sanierungsmaßnahmen wie Dämmung, Fenster- oder Heizungstausch auf kurze oder lange Sicht zu planen und umzusetzen. Die Umsetzung von Maßnahmen an kommunalen und kreiseigenen Gebäuden wird ebenfalls unterstützt.
Dafür braucht es die Kommunikation mit den Bürger:innen. Und viel Öffentlichkeitsarbeit, wie das im Projekt durch Vorträge über Energiesparen, Energieeffizienz, Erneuerbare Energien und vieles mehr gemacht wird.
Die Welt ist im Herbst 2022 eine andere, als sie es Anfang des Jahres noch war. Ihre Themen, Erneuerbare Energien, Ressourcenschonung, Umwelt- und Klimaschutz, haben Sie schon seit Jahren kommuniziert und vorangetrieben. Sind wir dennoch zu spät dran?
Dr. Wallmann: Der menschenrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist schrecklich und in unserer heutigen Zeit unfassbar. Die daraus resultierende Energiekrise zeigt die krassen Versäumnisse unserer Gesellschaft und damit auch ein Versagen unserer globalen Politik auf. Wir müssen jetzt nach vorne schauen und möglichst schnell eine konsequente Energiewende durch Energiesparen und Umstellung auf heimische Erneuerbare Energien schaffen. Nur so können wir unabhängig von fossilen Energieträgern werden und die Wirkungen der vom Menschen gemachten Klimakrise abmildern.
Unsere Generation ist die letzte, die dies noch schaffen kann. Dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden!
Was wünschen Sie "Ihrem Werra-Meißner-Kreis" für die Zukunft?
Dr. Wallmann: Ich wünsche dem Werra-Meißner-Kreis ausreichend Tatkraft und Durchhaltevermögen. Und dass es gelingt, das Klimaschutzkonzept von 2012 im Jahr 2023 zu aktualisieren und auf dieser Basis dann geeignete Maßnahmen zu definieren, diese umzusetzen, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen.
Wenn es uns nicht global gelingt, beim Klima- und Ressourcenschutz in den nächsten Jahren ganz wesentliche Fortschritte zu machen, werden zukünftige Generationen mit erheblichen Einschränkungen der für uns noch „natürlichen Lebensgrundlagen“ leben müssen.
Herr Dr. Wallmann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und die Zusammenarbeit im Projekt Quartierssanierung. Und wünschen Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute.